Dienstag, 30. April 2013

Mit der Spannkraft eines Marshmallows

Dass sich bei einem Pubertanten die Synapsen lösen, ist hinlänglich bekannt. Aber dass sich vorübergehend auch die Knochen aufzulösen scheinen, war ein mir bisher unbekanntes Phänomen.

Ein neues Wesen schien in den letzten Monaten bei uns eingezogen zu sein. Bei Paul war dieser Zustand in letzter Zeit in einem geradezu beängstigendem Maße fortgeschritten. Er hatte in etwa die Spannkraft eines Marshmallows. Seine Lehrerein sprach mich bereits an, dass sie manchmal ehrlich Angst habe, dass Paul im Unterricht vom Stuhl fallen würde. So wie neulich, als seine Klasse sich in der Lehrerkonferenz vorstellen musste. Paul saß scheinbar so tiefenentspannt mit seiner Trompete auf dem Schoß auf einer (lehnenlosen) Bank, dass er ständig hintenüber zu kippen drohte. Glücklicherweise kam es dann doch nicht dazu.

Nun feierten wir kürzlich Konfirmation. Mich plagten im Vorfeld Bedenken, wie mein Sohn wohl zum Altar kommen würde, ohne vorher komplett in sich zusammenzusacken. Aber siehe da: Meine Sorgen waren völlig grundlos. Paul schritt aufrecht durch die Kirche, saß anderthalb Stunden kerzengerade (dass das seine Rückenmuskeln überhaupt mitgemacht haben) und machte rundum eine gute Figur. Ich glaube beinahe, das Marshmallow hat ausgedient. Nun hege ich die Hoffnung, dass auch ansonsten wieder ein wenig mehr Drive in das Zimmer unterm Dach einzieht ...

Mittwoch, 10. April 2013

Wertvolle Erziehungsarbeit

Würde ich nach Worten bezahlt, ich hätte ausgesorgt. Dann müsste ich neben der Erziehungsarbeit keiner anderen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen. Meine Kinder würden dafür sorgen, dass Urlaube, Winterjacken, Schuhe und Jahrmarktsbesuche bezahlt wären.

Das System funktioniert ganz einfach. Nehmen wir zum Beispiel unser Gartentor. Mit Hund und kleinem Kind sollte es eigentlich geschlossen sein. Eigentlich. Aber da liegt das Problem – in der Praxis klappt das selten. Dabei finde ich die Ansage: „Schließt bitte das Gartentor, wenn ihr zur Schule fahrt oder wieder nach Hause kommt“ nicht wirklich missverständlich. Oder gar zu komplex. Und auch nicht wirklich zeitaufwendig… Mit der Umsetzung hapert es dennoch. Schule ist übrigens beliebig durch Sport, Freunde, Stadt, Musikunterricht etc. zu ersetzen.

Zurück zum System: Die ersten drei Aufforderungen sind umsonst. Danach würde sich der Preis nach einem gestaffelten System erhöhen. Sagen wir Aufforderung vier und fünf kosten 10 Cent, sechs und sieben 15 Cent, acht bis zehn 20 Cent. Klingt vielleicht auf Anhieb nicht viel, aber die Masse macht’s. Zumindest bei uns.

Ein angenehmer Nebeneffekt wäre, dass ich mich nicht mehr ärgern müsste. Vielmehr könnte ich mich in Ruhe auf dem Sofa zurücklehnen und meinen Tee schlürfen, damit mein vom Reden fusseliger und trockener Mund wieder benetzt würde. Und mit jeder Aufforderung würde ich mich freuen, dass es wieder in der Kasse klingelt.

Gutes System. Ich sollte ernsthaft über dessen Einführung nachdenken…

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Donnerstag, 4. April 2013

Aufstand der Pubertanten

Eigentlich pflegen wir in unserer Familie eine Gesprächskultur. Das heißt, alles kann angesprochen und diskutiert werden. Im Idealfall auch ausdiskutiert. Jedes Argument zählt. Wobei „Totschlagargumente“ („Alle in meiner Klasse dürfen das“) für mich nicht in die Kategorie Argumente fallen. Und – ehrlicherweise – im Ernstfall das Elternwort ein größeres Gewicht besitzt.
 
Aber wir nehmen unsere Kinder ernst. Und sie können uns oft überzeugen. Dafür erwarten wir aber auch, dass sich an Abmachungen gehalten wird – selbst wenn die nicht gefallen. Was meist klappt. Aber eben leider nur meist. 

Letztens verbrachte Paul (14) gemeinsam mit seinem Bruder zwei Wochen beim Vater. Und irgendwie muss ihm da unsere Familienregel entfallen sein. So zog es ihn doch in ein Elektronikgeschäft und er erstand einen WLAN-Verstärker. Um den er seit Monaten zuhause kämpfte. Doch leider immer wieder ein striktes „Nein“ hörte. Alle seine Argumente konnten uns nicht erweichen. Wenn er fernsehen will, soll er es vor der Glotze tun. Und nicht unkontrolliert in seinem Zimmer im Bett auf dem iPod. 

Zuhause eingetroffen musste es ihm irgendwie schwanen, dass der Kauf nicht seine beste Idee war. Zumindest wurde der Verstärker uns nicht stolz präsentiert, wie alle anderen Errungenschaften. Sondern vielmehr heimlich installiert. Irgendwie war es nur eine Frage der Zeit, dass uns die Antennen auffielen. Denn auch wenn wir keine Zimmerkontrollen durchführen, so versuchen wir doch, der „Versumpfung“ der Kinderetage entgegenzuwirken und sorgen ab und zu für eine Grundordnung. Wobei eben besagte Antenne auffiel.

Zuhause war jedenfalls erst mal der Teufel los. Hätte Paul das Ding in unserer Stadt gekauft, ich wäre in den Laden marschiert und hätte den WLAN-Verstärker dem Verkäufer auf den Tisch geknallt. So wanderte er vorerst in die Schublade. Und Paul arbeitet daran, wieder unser bedingungsloses Vertrauen zu gewinnen …

Was glauben Kinder eigentlich? Dass wir auf Bäumen schlafen? Oder selber nie jung waren und uns gegen unsere Eltern auflehnten? Dass man sich selber manchmal blöd vorkommt, wenn man streng sein muss, passt wahrscheinlich nicht unbedingt in ihre Vorstellungwelt. Aber wir meist unsere Gründe haben.

Übrigens: Sollte im obersten Stockwerk regelmäßig das Internet zum Arbeiten genutzt werden (jenseits vom Betrachten von YouTube-Videos), dann können wir erneut über die Nutzung diskutieren – höchstwahrscheinlich mit einem für Paul befriedigenderen Ausgang.