Ich
wollte diese Situation nie, da ich selber meine gesamte Kindheit
unter einer ungerechten und mir gegenüber boshaften Stiefmutter
gelitten habe. Von meinem Vater bekam ich keinerlei Unterstützung.
Was das Ganze noch verschlimmerte war die Tatsache, dass diese
Stiefmutter meine beiden Schwestern mochte. Und zuckersüß zu ihnen
war. Nun hat sie mich nicht als aufmüpfigen Teenager übernommen.
Vielmehr bin ich im zarten Alter von vier Jahren in ihr Leben
getreten. Oder sie vielmehr in meins. Obwohl zart für mich der
falsche Ausdruck war. Ich war wild, laut, ein wenig ungeschickt. Und
nicht elfenhaft, wie Mädchen für meine Stiefmutter zu sein hatten.
Doch
sie verteilte ihre Launen großzügig. Meine Freundinnen hatten
Angst, mit zu meinem Vater zu kommen, da die Stimmung oft zum
Schneiden war. Aber auch ihrem eigenen Sohn gegenüber – meinem
Bruder – konnte sie außerordentlich harsch sein. Er tat mir als
Kind leid. Ich liebte ihn über alles und hätte ihn gerne mit zu uns
in unseren schon damals chaotischen, aber liebevollen Haushalt
genommen.
Aus
dieser Erfahrung heraus wollte ich nie, dass meine Kinder zu
Scheidungswaisen werden. Weshalb ich siebeneinhalb Jahre in einer
Beziehung ausharrte, die ich am besten nach anderthalb Jahren
verlassen hätte. Und setzte sie dann doch dieser Situation aus. Und
ein paar Jahre später trat der GAU ein – ich lernte meinen
heutigen Mann kennen. Und wurde so plötzlich selber zur
„Stiefmutter“ von zwei 11-jährigen Jungen. Auch noch Zwillinge,
was die Sache nicht unbedingt vereinfachte.
Die
ersten Jahre waren hart. Mein Mann vermisste seine Söhne, die in
einer anderen Stadt leben, unglaublich. Und auch den Jungs fehlte die
permanente Nähe und Verfügbarkeit ihres Vaters. Die drei hatten ein
sehr enges Verhältnis zueinander, bevor die Ehe auseinanderbrach.
Gerne wurde ich moralisch für alles verantwortlich gemacht. Dabei
lernte ich meinen Mann erst ein halbes Jahr nach seiner Trennung
kennen.
Eigentlich
hatte ich mich auf eine große Famile gefreut. Wir hatten ein Haus
mit genügend Platz für alle gefunden. Aber die Zwillinge wollten
bei uns nicht ankommen. Mich lehnten sie ab. Wenn ich nur aus
Gesprächen ausgeschlossen wurde, war das noch harmlos. Egal ob beim
Essen oder sonstwo, es ging grundsätzlich um Handball oder Leute,
die nur die drei kannten. Egal, wer noch mit am Tisch saß. Es konnte
auch durchaus passieren, dass man mich mit Nichtachtung strafte. Und
dann noch die permanenten Kontrollanrufe der Mutter. Obwohl mein Mann
seine Söhne mit dem Auto abholte, klingelte das Telefon meist
schon, bevor sie überhaupt durch die Haustür getreten waren.
Mir kam
es vor wie der Tanz um das goldene Kalb. Oft gab es Streit und
Tränen. Jegliches Verhalten wurde mit der Trennung der Eltern oder
als Pubertät entschuldigt. Aber ich wollte nicht alles so hinnehmen.
Meine Kinder mussten auch mit einer Trennung zurechtkommen. Und
trotzdem wurde ihnen nicht erlaubt, offen zu opponieren.
Auch
wenn die Zeit nicht alle Wunden heilt, so ruckelte man sich doch
zurecht. Obwohl ich immer bedauerte, dass eine gewisse Distanz
geblieben ist. Trotzdem sind die Jungs mir unglaublich ans Herz
gewachsen. Und ich war überglücklich, als die bezaubernde Freundin
des Ältesten ein Wochenende mit zu uns kam. Und
heute, sieben Jahre später, bedaure ich es, sie so selten zu sehen.
Denn aus Kindern werden Leute. Die Gespräche mit den beiden sind
toll und bereichernd. Und da ich die Pubertät hautnah aber dennoch
aus zweiter Reihe bereits im Doppelpack miterleben durfte, bin ich
gegenüber meinem großen Sohn sehr viel gelassener, als man es sonst
gegenüber einem Erstgeborenem wäre. Denn ich weiß ja, was sich
daraus entwickeln kann.