Donnerstag, 1. November 2012

Von wegen Servicewüste Deutschland


Der Tag ist noch jungfräulich, ein erster sanfter Schimmer zeigt sich am Horizont. Für unseren nächtlichen Gast, der um 3 Uhr zu uns getappt kam, scheint es das Signal zu sein.

Unser Jüngster, eben noch friedlich zwischen uns schlummernd, setzt sich auf: „Mikau“ fordert er lautstark. Mein Mann und ich stöhnen leise auf, drehen uns nochmals um und ziehen uns dabei beinahe synchron die Decke über den Kopf. Doch es nützt nichts. Wieder fordert Johann: „Mikau“. Noch hofft jeder, dass der andere das machen würde – sich aus dem warmen Bett schälen und in der vorwinterlichen Kälte runter in die Küche gehen, um dem Filius seine Flasche Kakao zu bereiten. Doch gerade als mein Mann sich überwindet, kommt es glasklar: „Mami macht“. Oh nein, ich habe gehofft, dass dieser Kelch an mir vorübergeht. Da ich die Vehemenz meines Sohnes kenne, füge ich mich. Da bekommt der Begriff „Arbeit adelt“ eine komplett neue Bedeutung...

Während ich schlaftrunken und schicksalsergeben in die Küche tappe, denke ich darüber nach, wie es bei den beiden Großen war. Vor acht beziehungsweise elf Jahren hätte ich mich nicht von einem knapp Dreijährigem in die Küche befehligen lassen, um eine warme Milchflasche zu bereiten.

Ein anderes Beispiel sind die Apfelschnitze. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter jemals eine Dose mit mundgerecht geschnittenen Apfelstückchen bei Ausflügen oder langen Autoreisen dabei hatte. Geschweige denn, wenn ein Spielplatz angesteuert wurde. Wenn die Kindergärtnerin mal einen Zauberapfel im Kindergarten schnitt, dann war das der absolute Höhepunkt – aber Gewohnheit war das sicher nicht. Äpfel aßen wir in der Regel als Ganzes.

Ganz anders heute. Vor allem meinem 11-Jährigem muss man Vitamine in mundgerechter Form darbieten, damit er sie überhaupt zu sich nimmt. Ihm ganze Äpfel einzustecken ist reine Ressourcenverschwendung – sie kommen eines Tages als Kompost zurück. Also gehöre auch ich zu den Müttern, die in der Küche stehen, um Äpfel, Möhren, Paprika und andere vitaminverdächtige Lebensmittel mundgerecht aufbereiten. Oder eben morgens, bevor die Sonne aufgegangen ist, Milchflaschen zubereiten.