Mittwoch, 19. Dezember 2012

Kein Jahresrückblick 2012 – oder doch?

Überall wird man zurzeit erschlagen von Jahresrückblicken. Die geliebte Serie läuft nicht, weil Menschen 2012 gezeigt werden. Der Spielfilm wird von den rührendsten, lustigsten, blödsten oder peinlichsten Momente 2012 verdrängt. Und umgekippte Kreuzfahrtschiffe, wiedergewählte Präsidenten sowie Amokläufer verfolgen einen auf Schritt und Tritt. Wen interessieren da noch Not-OPs, Gerichtsprozesse, erste Freundinnen und neue Jobs?

Mich irgendwie. Weil mich diese Momente aus unserem Familienleben mehr berühren, als das Weltgeschehen rundherum. Obwohl ich besonders auf das Kapitel Gerichtsprozesse durchaus verzichten könnte. Aber mein Exmann scheinbar nicht. Und so habe ich meiner wunderbaren Anwältin mal wieder den nächsten Sommerurlaub finanziert. Alles zum Wohl der Kinder. Die sehen ihren Vater jetzt noch seltener. Es sei denn, er bequemt sich mal in die norddeutsche Provinz. Um zu sehen, wie seine Söhne eigentlich leben. Und was für Freunde beziehungsweise Freundinnen sie haben.

Apropos Freundin. Am Wochenende steht eine Weihnachtsplätzchenbackorgie bei uns an (ging nicht früher, da ich bekanntlich in der einen Stadt lebe und in der anderen arbeite). Und zu eben diesem adventlichen Backnachmittag kommt Pauls Freundin. Ich bin gespannt. Zwar kenne ich sie seit der ersten Klasse und habe sie auf diversen Sommerfesten, Weihnachtsbasaren, Schulausflügen sowie Theateraufführungen erlebt. Aber eben wie man so die Schulfreunde der Kinder erlebt. Ich weiß also, wie sie aussieht und heißt. Doch Paul ist bereits seit fünf Wochen schwer verliebt – eine kleine Ewigkeit im zarten Alter von 14 Jahren.

Meine sporadische Anwesenheit zuhause habe ich besagtem neuen Job zu verdanken. Der ist zwar klasse, aber eben in einer anderen Stadt. Was dazu führt, dass ich durch häufige Abwesenheit glänze. Und Kontakt mit meiner Familie in erster Linie übers Telefon halte. Dieses „Doppelleben“ ist oft toll. Spannend. Abwechslungsreich. Und manchmal nur noch anstrengend. Frustrierend. Und einsam.

Auch die wichtigen Momente im Leben erlebt man dann manchmal eben nur aus der Ferne. Nach reiflicher Überlegung hatten wir uns entschlossen, im Frühjahr Johann endlich die Polypen rausnehmen zu lassen. Denn sein Sprachvermögen war nicht nur schlecht, sondern vielmehr nicht existent. Um die Belastung der Narkose so gering wie möglich zu halten, warteten wir also seinen zweiten Geburtstag ab, bevor er nach zahlreichen Voruntersuchungen operiert wurde. Alles verlief prima; die Narkose war schnell abgebaut, nachmittags turnte er schon wieder durch den Garten. Zwei Wochen später klagte er über Bauchschmerzen. Der Weg führte vom Kinderarzt direkt wieder in den OP. Und zwar schnellstmöglich. Eine Stunde später lag er unter dem Messer – diesmal blieb keine Zeit für aufwendige Voruntersuchungen. Oder punktgenaue Narkosen. Ich verfolgte das Ganze nur durch die fernmündlichen Berichte meines Mannes. Da blutete mir wirklich das Mutterherz.

Auch Felix hielt uns im letzten Jahr auf Trab. Seine Intelligenz ist und bleibt eine besondere Herausforderung für uns. In jeglicher Hinsicht. Seine leise anklingende Pubertät macht es nicht einfacher. Vielmehr verwandelt sein Zimmer sich in einen undurchdringlichen Sumpf. Und was das Chillen betrifft, versucht er seinen großen Bruder noch zu toppen. Wie es mit dem Instrument im nächsten Jahr weitergeht, bleibt abzuwarten.

Aber jetzt freue ich mich erst mal auf ein paar Weihnachtstage. In der Hoffnung, dass diese ruhig und friedlich verlaufen. Und freue mich, dass wir am 1. Weihnachtstag die große Runde um unsere lange Tafel versammeln. Ich, allein unter sechs Jungs. Naja, fast. Glücklicherweise bringt der Große seine Freundin mit…