Manchmal wünsche ich mir die Gabe von „Bruce
allmächtig“. Dann wäre kein Zug zu spät, die Kinder nie krank, der Chef würde
die getane Arbeit würdigen. Und der Oktober glänzte golden statt mattgrau.
Doch leider ist mir diese Gabe nicht gegeben. Und so muss
ich mein Schicksal mit verspäteten Zügen und ausfallenden Bahnen mit einem
Riesenheer anderer Pendler teilen. Dass ich momentan beinahe täglich
Geschichten lese, höre oder sehe, die über die krankmachende Wirkung des
Pendelns berichten, mag an einer selektiven Wahrnehmung liegen. Schließlich
liefen in der Stadt auch ausschließlich schwangere Frauen herum, als ich selber
ein Kind erwartete.
Anfangs genoss ich den Umstand, in einer anderen Stadt zu
arbeiten. Die Auszeit von der Familie, die Zeit für mich, meine entzückende
Wohnung mitten im Zentrum. Doch dann schlich sich die Sehnsucht in mein Leben.
Ich vermisse das gemeinsame Abendessen, wenn bei Tisch jeder von seinem Tag erzählt.
Ich vermisse es, jetzt im Herbst abends nach Hause zu kommen, wenn die
erleuchtenden Küchenfenster eine Wärme versprechen, die einem beim Öffnen der
Haustür entgegenkommt. Ich vermisse die Stunden am flackernden Kaminofen, das
Glas Wein mit meinem Mann. Den Geruch nach feuchtem Laub und Erde, der für mich
Herbst bedeutet. Und ich vermisse meine Kinder, die ich so oft auf den Mond
gewünscht habe.
Als ich mich vor knapp einem Jahr enthusiastisch in diese
Art Leben stürzte, hatte es für mich nur positive Seiten. Ich hatte einen Job,
den ich liebte. Tolle Kollegen, auf die ich mich jede Woche wieder freute. Eine
Welle des Glücks trug mich durch die Wochen. Ich freute mich darauf, mittwochs
in dieses andere Leben einzutauchen. Und Freitagabend wieder meine Familie zu
sehen.
Doch dann kam die Realität. Und die hieß Verlust des Alltags
mit der Familie. Was teilweise auch dem Umstand geschuldet war, dass ich
zuhause zwei bis drei Abende noch einen weiteren Job in der Redaktion der
heimischen Tageszeitung habe. Plötzlich ging mir der Spruch einer Freundin
nicht mehr aus dem Kopf, die davon erzählte, dass sie ihre Kinder vermissen
würde in Zeiten, in denen sie extrem viel arbeitet. Ich konnte es damals nicht
nachvollziehen. Heute verstehe ich, was sie meinte.
Und auch wenn ich mich heute noch immer auf meine Kollegen
freue, bin ich dennoch wieder auf der Suche. Nach einem Job, der die viel
beschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Auch für uns.