Ich erinnere mich noch
wie heute an den Augenblick, als ich mit meinem großen Sohn nach der Geburt aus
dem Krankenhaus kam. Wie ich ihn im Arm hielt, mir vor Rührung die Tränen übers
Gesicht liefen und ich mir bewusst wurde, dass ich für diesen winzigen Wurm die
nächsten 20 Jahre die Verantwortung habe.
Das ist jetzt 14 Jahre her.
Und diese ersten 14 Jahre haben wir ganz gut überstanden. Abgesehen von
kleineren Blessuren wie zwei Armbrüchen und ein halb abgerissenes Ohr hatten
wir keine schlimmeren Verletzungen zu beklagen. Auch unsere persönliche
Mutter-Sohn-Beziehung würde ich als gut bezeichnen. Zumindest bis vor kurzem.
In letzter Zeit wird sie manchmal arg strapaziert. Während wir Erwachsenen uns
oft nach Entspannung sehnen, scheint ein 14-Jähriger sich in einem dauerhaften
Entspannungsmodus zu befinden. Und der bringt mich wiederum auf die Palme.
Zwar brauche ich schon
lange nicht mehr in die Knie zu gehen, um ihm in die Augen zu blicken, wenn ich
etwas wirklich ernst meine. Doch auch wenn wir uns Aug in Aug gegenüberstehen,
wage ich manchmal zu bezweifeln, ob meine Botschaften von seinem Ohr auch bis
in sein Gehirn vordringen.
„Der Hund braucht frisches
Wasser“, rufe ich meinem Großen über die Schulter zu. Er brummelt irgendetwas
wie okay. Als ich zwei Stunden später an dem Napf vorbeikomme, ist er immer
noch trocken wie die Wüste Gobi. Und so geht es den ganzen Tag: Vokabeln
lernen? „Bleib mal entspannt“, höre ich. Trompete üben? Später. Hefte auf Stand
bringen? Wird gemacht. Bloß wann das geschieht, wird in diesem Moment leider
nicht festgelegt. Auch das nicht gerade berauschende Zeugnis bringt ihn nicht
aus der Ruhe.
Ich befürchte, dass die
nächsten zwei Jahre mit ihm nicht vergnügungssteuerpflichtig sein werden. Aber
ich weiß, dass auch die Pubertät – und damit der ausgeprägte Entspannungsmodus
– nur eine Durchgangsphase ist. Ähnlich wie die Trotzphase. Man muss als Eltern
durch, weiß aber, dass es irgendwann vorbei ist. Also versuche ich, es meinem
Sohn gleichzutun – und bleibe entspannt.