Eigentlich sollten
wir ganz gelassen bleiben. Schließlich ist es unser fünftes Kind (wenn auch
jeder von uns nur drei davon großgezogen hat). Und so kennen wir den Werdegang
vom Wickelkind zum selbständigen Toilettengänger.
Theoretisch weiß ich auch, dass Druck nichts nützt. Und dass jedes Kind irgendwann sauber und trocken wird. Doch das mit der
Gelassenheit fällt mir schwer. Und Geduld zählt nicht zu meinen herausragenden
Stärken. Diese nicht gerade sehr belastbare Geduld unterzieht unser Jüngster
gerade einer harten Probe. Sein dritter Geburtstag steht kurz vor der Tür.
Dennoch macht er nicht mal ansatzweise Anstalten, auf seine Windel zu verzichten.
Alle anderen Kinder bei der Tagesmutter – obwohl teilweise Monate
jünger – ziehen links und rechts an ihm vorbei und gehen bereits selbständig aufs Klo. Nur Johann
nicht. Auf seine beiden Lieblingssätze: „Ich mach‘ das!“ oder „Das schaff‘
ich!“ wartet man in diesem Zusammenhang vergebens.
Auf Wellnesswickeln verzichten wir schon lange: Wohlige
Wärme sucht man an diesen nasskalten Spätherbsttagen bei uns beim Windelwechsel
vergebens. Doch es nützt alles nicht. Noch ist meine Verzweiflung nicht groß
genug, als dass ich mich in Foren tummle, in denen Eltern sich hilfesuchend an
andere wenden, in der Hoffnung auf den einen, erfolgversprechenden Tipp. Auch
Bücher wie „Sauberwerden ohne Druck“ oder "Endlich windelfrei" lasse ich links liegen. Noch.
Im Durchschnitt verbraucht ein Kind 4.000 Windeln, bis es sauber wird. Dabei entsteht ein 600 Kilogramm schwerer Müllberg. Ich befürchte, dass Johann diese Zahlen toppen wird.
Und mit jedem Windelpaket, das ich kaufe, schwöre ich, dass
es das letzte sei. Um kurz darauf wieder wortbrüchig zu werden. Und hoffe,
dass Johann zu seinem dritten Geburtstag die Kurve kriegt. Zehn Tage hat er
noch…
Donnerstag, 29. November 2012
Samstag, 24. November 2012
Das Drama des begabten Kindes (Teil 2)
Das Drama des begabten Kindes (Teil 1)
Keine Ahnung, ob unser Zweitgeborener hochbegabt ist. Oder lediglich sehr intelligent. Das spielt auch keine Rolle. Denn die Kehrseite der Medaille macht es für alle schwieriger – auch für ihn selbst.
Keine Ahnung, ob unser Zweitgeborener hochbegabt ist. Oder lediglich sehr intelligent. Das spielt auch keine Rolle. Denn die Kehrseite der Medaille macht es für alle schwieriger – auch für ihn selbst.
Auf den ersten Blick sieht
man nur die Begabungen. Die Musikalität – einmal gesehene Noten kann er
auswendig, nach Gehör zu spielen oder singen bereitet ihm keine Schwierigkeiten;
die Aufnahmeprüfung zum Knabenchor bestand er mit „Alle meine Entchen“. Oder
das Sprachtalent, egal ob es um Englisch oder Russisch geht. Die Fähigkeit,
nach einmal durchlesen alle Bundesländer und Hauptstädte zu können. Das
Einmaleins runterzubeten, während der große Bruder noch rechnet...
Denn im Grunde genommen ist
es ein Repetieren des Gehörten. Doch irgendwann im Laufe der schulischen
Laufbahn muss auch das begabteste Kind anfangen zu lernen. Und damit kann Felix
nichts anfangen. Auf meine Frage, ob es nicht toll wäre, sich etwas zu
erarbeiten, was man nicht könne, um es dann zu beherrschen, schaut er mich nur
verständnislos an. Eine Lehrerin klärte mich darüber auf, dass er gar nicht
wissen würde, wovon ich sprach. Weil er eben alles kann.
Doch dann kamen die
Textaufgaben. Und mit ihnen zogen die Wutanfälle bei uns ein. Die Aufgaben
schienen nicht seinem bisherigen Denkmuster zu entsprechen. Und brachten ihn
zur Verzweiflung. Natürlich war nicht er Schuld, sondern seine Lehrerin blöd
und die Aufgaben unlösbar. Zeitgleich haderte er mit dem Cello. Auch hier war
es selbstverständlich der Fehler des Lehrers. Und anstatt zu üben, drehte Felix ihm den
Rücken zu und verweigerte sich komplett.
Plötzlich flog ihm nicht
mehr alles so zu, wie er es gewohnt war. Die Erkenntnis war für ihn ungleich
schwerer, als für seinen großen Bruder, der sich schon immer alles erarbeiten
musste. Doch was nützt einem alle Begabung, wenn man es nicht schafft, etwas
daraus zu machen?
Ich finde es sehr viel
einfacher, mit einem Kind Vokabeln zu pauken, als ihm behutsam beizubringen, dass
alle Begabung nichts nützt, wenn man nichts daraus macht. Und sich weigert zu
lernen, weil man ja scheinbar alles kann.
Die Landung auf der Erde war
hart für Felix. Und die Schmerzen sind bis heute nicht vergessen. Doch ich
hoffe, wir sind auf einem guten Weg. So dass Felix nicht dem Drama des begabten
Kindes erliegt und eines Tages scheitert. Sondern es schafft, aus seinen Begabungen sich eine herauszupicken
und diese weiterzuentwickeln.
Dienstag, 20. November 2012
Das Drama des begabten Kindes (Teil 1)
Das Drama des begabten Kindes (Teil 2)
Beinahe alle Eltern träumen von einer besonderen Begabung ihres Kindes. Paul, meinen Ältesten, beobachtete ich mit Argusausgen. Glücklich registrierte ich jedes neue Wort, das er lernte. Zufrieden stellte ich fest, dass er sehr früh sehr gut sprach. Und platzte fast vor Stolz, als die Kinderärztin sein außergewöhnliches Sprachvermögen lobte.
Beinahe alle Eltern träumen von einer besonderen Begabung ihres Kindes. Paul, meinen Ältesten, beobachtete ich mit Argusausgen. Glücklich registrierte ich jedes neue Wort, das er lernte. Zufrieden stellte ich fest, dass er sehr früh sehr gut sprach. Und platzte fast vor Stolz, als die Kinderärztin sein außergewöhnliches Sprachvermögen lobte.
Doch hochbegabt war er nicht. Das
stellte ich spätestens mit seiner Einschulung fest. Als Paul
in die Schule kam, war er fest davon überzeugt, von nun an lesen und
rechnen zu können. Schließlich hatten ihm alle gesagt, dass er das
in der Schule lernen würde. Doch leider hatten alle versäumt zu
erwähnen, dass es mit Arbeit verbunden ist. Und man es nicht
automatisch kann, nur weil man jetzt eben nicht mehr in den
Kindergarten, sondern in ein Klassenzimmer ging. Seine Ambitionen, es
mit eigenen Anstrengungen doch noch zu erlernen, hielten sich in
Grenzen.
Und dann kam Felix. Unser
Zweitgeborener himmelte seinen Bruder an. Der nahm den Kleinen unter
seine Fittiche. Felix musste nichts selber machen, sondern lediglich
seinem Bruder folgen. Sein Sprachvermögen war derart unterentwickelt,
dass nur Eingeweihte ihn verstehen konnten. Machte aber nichts, Paul
übersetzte – selbst noch für seinen
vierjährigen Bruder.
Doch plötzlich fing Felix an zu reden.
Und hörte nicht mehr auf. Eines abends, er war vielleicht fünf
Jahre alt und befand sich mitten in einer Dino-Phase, erzählte er
Geschichten von Halticosaurus, Baronyx und Styracosaurus. Mit Tyrannosaurus rex oder Brachiosaurus hätte ich ja noch etwas
anfangen können – aber diese Namen hatte ich noch nie gehört. Ich
war skeptisch, ob irgendetwas davon stimmte. Also schlug ich nach.
Und musste feststellen, dass alles korrekt war. Ich war erschüttert.
Wann hatte Felix das aufgeschnappt?
Fortan fiel auf, dass Felix alles, was
er hörte, aufsog wie ein Schwamm. Und nie wieder vergaß. Nach einem
Zoobesuch kannte er alle Tiere und ihre Lebensgewohnheiten. Bücher
gab er beinahe buchstabengetreu wieder. Einmal in einem Museum
gewesen, konnte er anschließend alle Exponate mit Hintergrund
erklären. Fraglos eine Gnade. Und zugleich ein Fluch. Denn auch
Ungerechtigkeiten, die ihm wiederfahren, kann er jahrelang nicht
loslassen.
Fortsetzung folgt ...
Samstag, 10. November 2012
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ich wusste, dass die Zeit mit Paul
nicht vergnügungssteuerpflichtig wird. Das ist sie mit Pubertanten
eher selten. Aber dass das Hoch so kurz währen würde, hätte ich
auch nicht gedacht.
Dabei fing das Schuljahr nach den
Sommerferien so gut an. Der Große (14) schien wie ausgewechselt. Lernte
Vokabeln, führte seine Hefte und Mappen ordentlich und hatte immer
alle Schulsachen dabei. Nach dem letztem Schulzeugnis habe ich das
allerdings auch erwartet. Denn irgendwie konnten wir uns alle
glücklich schätzen, dass ich ruhig blieb und das Zeugnis vor den
Sommerferien mit Humor nahm. Auch wenn es Galgenhumor war. Was blieb
mir anderes übrig? Hätte ich kreischen, heulen oder mein Kind
verfluchen sollen? Das war es nicht wert. Es handelte sich
schließlich nur um ein Zeugnis. Also atmete ich tief durch, zählte
langsam rückwärts von zehn bis null – und dachte an die Großen
meines Mannes, die auch irgendwann die Kurve bekommen haben.
Doch nun das. Kaum sind die
Herbstferien vorbei, flattert eine Mail der Englischlehrerin in
meinen virtuellen Briefkasten. Mangelnde Mitarbeit, unerledigte
Hausarbeiten, schlecht vorbereitete Test, nicht gelernte Grammatik
und Vokabeln – wäre mein Schreibtisch im Büro aus Holz und nicht
aus Glas, hätte ich in die Tischkante gebissen.
Irgendwie kommt mir das Szenario aus
dem letzten Schuljahr bekannt vor. Schlechtes Zeugnis, Bemühen bis
zu den Herbstferien, dann wieder rapider Leistungsabfall. Und ich war
so naiv zu glauben, dass es sich nicht wiederholen würde. Doch die
Hoffnung stirbt zuletzt – und so frage ich wieder Vokabeln ab,
überprüfe Hefte und hoffe immer noch auf dauernde Besserung ...
Donnerstag, 1. November 2012
Von wegen Servicewüste Deutschland
Unser Jüngster, eben noch friedlich zwischen uns schlummernd, setzt sich auf: „Mikau“ fordert er lautstark. Mein Mann und ich stöhnen leise auf, drehen uns nochmals um und ziehen uns dabei beinahe synchron die Decke über den Kopf. Doch es nützt nichts. Wieder fordert Johann: „Mikau“. Noch hofft jeder, dass der andere das machen würde – sich aus dem warmen Bett schälen und in der vorwinterlichen Kälte runter in die Küche gehen, um dem Filius seine Flasche Kakao zu bereiten. Doch gerade als mein Mann sich überwindet, kommt es glasklar: „Mami macht“. Oh nein, ich habe gehofft, dass dieser Kelch an mir vorübergeht. Da ich die Vehemenz meines Sohnes kenne, füge ich mich. Da bekommt der Begriff „Arbeit adelt“ eine komplett neue Bedeutung...
Während ich schlaftrunken und schicksalsergeben in die Küche
tappe, denke ich darüber nach, wie es bei den beiden Großen war. Vor acht
beziehungsweise elf Jahren hätte ich mich nicht von einem knapp Dreijährigem in
die Küche befehligen lassen, um eine warme Milchflasche zu bereiten.
Ein anderes Beispiel sind die Apfelschnitze. Ich kann mich
nicht erinnern, dass meine Mutter jemals eine Dose mit mundgerecht geschnittenen
Apfelstückchen bei Ausflügen oder langen Autoreisen dabei hatte. Geschweige denn,
wenn ein Spielplatz angesteuert wurde. Wenn die Kindergärtnerin mal einen
Zauberapfel im Kindergarten schnitt, dann war das der absolute Höhepunkt – aber
Gewohnheit war das sicher nicht. Äpfel aßen wir in der Regel als Ganzes.
Ganz anders heute. Vor allem meinem 11-Jährigem muss man
Vitamine in mundgerechter Form darbieten, damit er sie überhaupt zu sich nimmt.
Ihm ganze Äpfel einzustecken ist reine Ressourcenverschwendung – sie kommen
eines Tages als Kompost zurück. Also gehöre auch ich zu den Müttern, die in der
Küche stehen, um Äpfel, Möhren, Paprika und andere vitaminverdächtige
Lebensmittel mundgerecht aufbereiten. Oder eben morgens, bevor die Sonne
aufgegangen ist, Milchflaschen zubereiten.
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